Mit der Verabschiedung des EEG 2023 im Juli wurden auch die 70%-Regelung überabeitet. Doch das hielt nicht lange: Im Huckepack zu einer Novellierung des Energiesicherungsgesetzes kam die nächste, wichtige Änderung zu dieser Regelung schon Mitte Oktober. Was gilt jetzt genau? Diese Frage wurde in den letzten Wochen immer häufiger gestellt, daher hier jetzt ausführlich:
Um was geht es?
Die „70%-Regelung“ wurde 2012 ins Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geschrieben. Sie gab vor, dass PV-Anlagen mit einer Nennleistung bis 25 kWp nicht die maximale Nennleistung auch an das Stromnetz abgeben durften, sondern nur maximal 70% davon. Eine 10 kWp-Anlage musste also technisch sicherstellen, dass nur maximal sieben Kilowatt Leistung ins Netz gelangt sind. Hintergrund der Regel waren die Netzbetreiber, die damals Sorge um das Stromnetz hatten. In 2010 und 2011 gab es einen Rekord-Zubau an PV-Leistung in Deutschland von über sieben Gigawatt pro Jahr.
Was hat das für Auswirkungen?
Schon jetzt muss man unterscheiden, welche PV-Anlage man betrachtet: Bei einer Anlage, die als Eigenversorgungsanlage mit Batteriespeicher ausgestattet ist, hat die Regelung in der Praxis praktisch keine Bedeutung. Durch die Nutzung als Eigenverbrauch wird schon ein Teil der erzeugten Strommenge weggenommen, auch der Batteriespeicher wird an sonnigen Tagen über den ganzen Tag weg geladen. Damit entsteht die Situation, dass bei einer 10 kWp-Anlage sieben Kilowatt ins Netz gehen sollen, praktisch nie.
Bei einer Volleinspeise-Anlage mit idealer Südausrichtung kann das dagegen auftreten, jedoch auch nur in seltenen Fällen. Neben der maximalen Strahlung muss nämlich auch die Außentemperatur passen. Im Sommer, wenn es heiß ist, sinkt ja der Wirkungsgrad von Solarzellen, dann wird die Situation, dass über 70% der Nennleistung ins Netz gehen sollen, auch kaum erreicht. Und wenn, dann nur recht kurz.
Über das Jahr betrachtet ergibt sich - je nach Anlage - durch die Regelung ein Minderertrag, der zwischen 0 und ca. 3 Prozent des Jahresertrages liegen kann, also viel, viel weniger, als der Name „70%-Regelung“ suggeriert.
Ich erkläre das hier deshalb nochmals so ausführlich, weil sich viele Anlagenbetreiber von Bestandsanlagen gut überlegen sollten, ob sie die Regelung nun auch entfernen lassen. Näheres dazu unten.
Was gilt jetzt für neue PV-Anlagen?
Für PV-Anlagen, die seit dem 14.09.2022 bis Jahresende in Betrieb genommen werden, muss nun keine 70-Prozent-Regelung mehr eingerichtet werden:
- bis 7 kWp: keine Einrichtung der 70%-Regelung notwendig
- über 7 bis 25 kWp: keine Einrichtung der 70%-Regelung notwendig
- über 25 kWp: weiter Fernsteuerbarkeit sicherstellen (wie bisher)
Das gilt aber nur für Anlagen bis 25 kWp. Anlagen, die größer sind, müssen wie bisher nach EEG mit einer Fernsteuerbarkeit für den Netzbetreiber ausgestattet werden.
Neue PV-Anlagen, die ab dem 01.01.2023 in Betrieb gehen werden, muss nun auch keine 70-Prozent-Regelung mehr eingerichtet werden, der Jahreswechsel ändert nichts:
- bis 7 kWp: keine Einrichtung der 70%-Regelung notwendig
- über 7 bis 25 kWp: keine Einrichtung der 70%-Regelung notwendig
- über 25 kWp: weiter Fernsteuerbarkeit sicherstellen (wie bisher)
Was gilt jetzt für schon bestehende PV-Anlagen?
Wurde eine Anlage vor dem 14.09.2022 in Betrieb genommen, so ist nun die Nennleistung der Anlage das entscheidende Kriterium:
- bis 7 kWp: 70%-Regelung vorhanden, kann ab 01.01.2023 deaktiviert werden
(siehe Hinweis unten) - über 7 bis 25 kWp: 70%-Regelung vorhanden, muss weiter so bestehen bleiben
- über 25 kWp: weiter Steuerbarkeit sicherstellen (bleibt weiter so)
Nur für Bestandsanlagen bis 7 kWp dürfen nun also die Betreiber entscheiden, dass sie die (meist in den Wechselrichter einprogrammierte „70-Prozent-Regelung“ ab 01.01.2023 entfernen lassen. Doch das will gut überlegt sein: Spannend wird hier nun, wie bürokratisch dieser Verfahren ablaufen wird. Das EEG 2023 sieht in § 100 neu vor, dass dabei eine Mitteilung an den Netzbetreiber erfolgt, dabei wird auf Paragraf 8 des EEG verwiesen. „Insbesondere ist dem Netzbetreiber das Begehren [Anmerkung: der Wunsch zur Entfernung der Regelung] vorab mitzuteilen. Teils wird dies so interpretiert, dass ein Netzanschlussbegehren für die Differenzleistung gestellt werden muss: Also die 30% Anlagenleistung, die durch die Abschaltung der Regelung nun neu ins Stromnetz „wirken“, könnten wie eine Neuanlage angemeldet werden müssen.
Deshalb der obenstehende Hinweis, dass sich Betreiber das gut überlegen sollten, denn das könnte einen größeren Aufwand bedeuten. Warten wir hier ab, welche Hinweise es dazu von den Netzbetreibern gibt und ob das womöglich auch (wie oft) in unterschiedlichen Netzbereichen auch unterschiedlich umständlich umgesetzt werden muss. Und: auch das Umprogrammieren des Wechselrichters kann nicht vom Betreiber selbst vorgenommen werden, sondern ein Elektriker muss das machen. Und die sind derzeit mit Neuaufträgen ja vollständig ausgelastet und kosten Geld, wenn sie zur Umstellung vor Ort kommen müssen.
Steckersolarbetreiber atmen auf
Um positiv zu enden mit diesem Text: Betreiber von Steckersolar-Geräten können aufatmen: Sie sind von der 70%-Vorgabe (bei neuen schon jetzt und bei bestehenden Steckersolargeräten ab 01.01.2023) nicht mehr betroffen. Im Sommer wurde befürchtet, dass hier Bußgelder drohen könnten – das ist nun vom Tisch.